Wer selbst Brot backt, kennt es: Die Aromen im Brot entfalten sich umso besser, je länger die Garen sind und je mehr Zeit sich und dem Teig gelassen wird. Vorteige werden am Vortag angesetzt, sei es ein Poolish oder ein Sauerteig. Stückgaren über Nacht im Kühlschrank – alles benötigt seine Zeit. Das ist einer der Gründe, weshalb ich Brotbacken so sehr liebe: Man entschleunigt, wird geduldig und lernt auf etwas zu warten. Auch wenn der Hunger nach einem guten Stück Brot unermesslich groß ist.
Im Gegensatz dazu steht der Trend an schnell geschnittenen Videos auf TikTok, YouTube Shorts oder Instagram Reels. In kürzester Zeit soll viel Information, mit schnellen Schnitten und fetziger Musik, vermittelt werden. Klar, auch ich verliere mich immer wieder in diese Formate, finde sie unterhaltsam und teils auch lehrreich.
Brotbacken in wenigen Minuten
Als Hobbybäcker stößt man schnell auf Brotback-TikTok/-Shorts/-Reels. Es gibt Hobbybäcker, die damit eine beeindruckende Reichweite aufgebaut haben. Rezepte werden in etwas über einer Minute mit hektischen Jump-Cuts „erklärt“. Da wird eine Gare über Nacht ein kurzes Handwischen, die eigentlich meditative Formen eines Brotlaibs ist in wenigen Sekunden gezeigt. Das Rezept wird kurz am Ende eingeblendet – ist doch schnell nachgemacht! Es wird der Eindruck erweckt, Brot backt man mal eben schnell. Und oft geht es prinzipiell nur um die Person, nicht um das Lebensmittel Brot.
Auch wenn ich mir diese Videos gerne ansehe, denke ich mir, das hat der Prozess des Backens nicht verdient. Mit Brotbacken verbinde ich Ruhe, Geduld und auch mal Demut vor dem Teig.
Klingt pathetisch, kann wahrscheinlich der ein oder andere Hobbybäcker aber gut verstehen. Den Teig einfach mal über die Stunden, oder gar Tage beobachten. Das macht in meinen Augen den Prozess des Backens aus.
Alles auf dieser Welt wird schneller, alles muss höher und weiter. Beim Brot hat es sich glücklicherweise in die Gegenrichtung entwickelt. Dem werden TikTok, YouTube Shorts und Reels meiner Meinung nach nicht gerecht. Und das hat Brot nicht verdient, egal ob das ein Profibäcker oder Hobbybäcker präsentiert.